Es ist überwältigend. Hinter dem monumentalen Portal aus großen Steinquadern, denen eine natürliche Patina zusätzliche Schönheit verleiht, öffnet sich förmlich die Erde. Plötzlich steht man mitten in ihr. Ein Moment, dem ein ganz besonderer Zauber innewohnt. Ein Moment, der eine viele Millionen Jahre alte Geschichte offen legt. Ein Moment, der das wortwörtliche Fundament der Pfalz begeh- und begreifbar macht: den Buntsandstein. Seit über einem Jahrhundert betreibt die Firma Picard im Schweinstal bei Kaiserslautern ihren Steinbruch. Abdeckplatten, Bodenbeläge, Fassadenverkleidungen, Kunstobjekte, Mauerwerk oder Treppen – die Einsatzmöglichkeiten des dort abgebauten Gesteins sind schier grenzenlos. Doch Buntsandstein ist noch viel mehr als ein einzigartiger Baustoff: Eine Reise in den Sandstein führt in der Pfalz zu Bauwerken, spektakulären Felsformationen oder Weinen, die durch das ganz besondere Terroir geprägt werden.

„Pfälzer Mulde“ als Ausgangspunkt
Was so herausragend ist, begann vor rund 250 Millionen Jahren mit einem Senkungsprozess. Dort, wo der Pfälzerwald heute zu abwechslungsreichen Wanderungen und Mountainbike-Touren verführt, entstand die sogenannte „Pfälzer Mulde“. Wind und Wasser „füllten“ sie. Aus zunächst losem Sand, der sich nach und nach verfestigte, wurde in Jahrmillionen Sedimentgestein. Das Herausheben des Mittelgebirges mit seinen über 600 Meter hohen Bergen begann vor rund 50 Millionen Jahren, als die Eurasische mit der Afrikanischen Platte kollidierte. Während sich dabei die Alpen herausbildeten, ließen Spannungen in der Erdkruste diese aufbrechen. Das führte zur Absenkung des Oberrheingrabens bei gleichzeitigem Anheben der Randbereiche. Rechtsrheinisch entstanden so Schwarzwald und Odenwald, linksrheinisch die Vogesen und der Pfälzerwald.

Perfektes Zusammenspiel der Natur

Die beiden linksrheinischen Mittelgebirge bilden zusammen – einmalig in Deutschland – das grenzüberschreitende UNESCO-Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen. Geologen bezeichnen den Pfälzerwald als „großartigste und eindrucksvollste Buntsandstein-Landschaft Deutschlands“. Jeder, der hier mit dem Mountainbike oder auf Schusters Rappen unterwegs ist, kann dies problemlos nachvollziehen. Ursache dafür, dass das Gestein an vielen Stellen für ein beeindruckendes Naturerlebnis sorgt, war eine Wölbung beim Anhebungsprozess. So wurde das Gestein im Pfälzerwald schräg gestellt. Buntsandstein kann deshalb heute mit einer Vielzahl an Rottönen von hell bis dunkel, mit rot-gelb gemischten Farbvarietäten oder mit gelber bis fast orangefarbener Optik faszinieren. Das Zusammenspiel von Licht und Schatten im Wald oder das beruhigend plätschernde Wasser in Bächen, etwa in der wildromantischen Karlstalschlucht, setzen den Buntsandstein zusätzlich in Szene.

"Backenzahn" mit grandiosem Rundblick

Apropos Szenerie: Gewaltig erhebt sich die Ruine der Burg Drachenfels bei Busenberg im Dahner Felsenland aus dem Wald. Der höchstgelegene Teil des Burgfelsen diente als Bergfried. „Backenzahn“ wird der Rest des Turmes liebevoll genannt. Ein grandioser Rundblick macht hier oben augenfällig, warum der Pfälzerwald das größte zusammenhängende Waldgebiet Deutschlands ist. Die Felsenburg ist einer von vielen geschichtsträchtigen Orten. Sie ist ein Musterbeispiel historischer Architektur, das die ungewöhnlich enge Verbindung zwischen Bewohnern und Buntsandstein förmlich greifbar macht. Besucher erleben dies noch heute, wenn sie durch Felskammern, Verbindungsgänge oder auf steilen Steinstufen die Ruine erkunden. Dabei ist spürbar, dass Buntsandstein kein kalter Fels mit schroffen Kanten ist, sondern formbar und fast weich daherkommt. Und an sonnigen Tagen speichert sich in ihm noch dazu die ganze Wärme der Pfalz.

Prägend fürs Gesicht der Pfalz

Kein Wunder also, dass Buntsandstein nicht nur das Gesicht der Pfälzer Natur prägt. Großartige Bauwerke, etwa der Dom zu Speyer oder das Hambacher Schloss, erhalten ihren unverwechselbaren Charakter durch den Sandstein. Und im Pfälzerwald sowie am Haardtrand, wo der Wald fließend in die Weinlandschaft übergeht, stehen in jedem Dorf prächtige Häuser aus rotem und gelbem Sandstein – häufig aus handgehauenen Steinen erbaut. Hier lässt sich vielerorts die sprichwörtliche Gastfreundschaft der Pfalz erleben. Zum Beispiel auf Sandstein-Terrassen von Hotels oder Vinothekn mit toller Aussicht auf Pfälzerwald und Reblandschaft. Für das i-Tüpfelchen nach einem abwechslungsreichen Urlaubstag mit vielen Aktivitäten sorgen dann ein saftiger Riesling oder vollmundiger Spätburgunder. Natürlich auf Buntsandstein gewachsen.

Die vertikale Dimension von Gestein

So gestärkt warten weitere Erlebnisse. Buntsandstein hat in der Pfalz nicht zuletzt auch eine vertikale Dimension. Rund 45 Meter hoch ist zum Beispiel die nordöstliche Wand der Geiersteine bei Lug im Wasgau. „Geierwally“ heißt die Route, die Bergsteiger als Steil-Kletterei schätzen. Man muss jedoch nicht wie sie gleich „die glatte Wand“ hoch, um den überwältigenden Ausblick genießen zu können. Auch der Premium-Wanderweg „Geiersteine-Tour“ macht es möglich. Mit nur gut fünf Kilometern ist die Rundtour so kurz, dass man sie auch noch an einem Abend absolvieren kann. Dann rückt der Sonnenuntergang hinter den Bergen des Pfälzerwaldes den Buntsandtein – die Kulisse der Pfälzer Lebensart – in perfektes Licht. Es ist überwältigend.

ein Text von Michael Dostal